In diesem Jahr blickt der Spiel- und Sportverein 1920 Boppard e.V. auf 100 Jahre Vereinsgeschichte zurück. Wegen der Corona-Beschränkungen sind die geplanten Jubiläumsveranstaltungen auf das kommende Jahr verschoben. „Rund um Boppard“ veröffentlicht in den kommenden Wochen „100 Jahre SSV Boppard“, zusammengestellt von Helmut Biller, Niko Neuser und Norbert Neuser.

Da Boppard über keinen eigenen Sportplatz verfügte wurden zunächst alle Spiele auswärts ausgetragen, bis die Heimspiele schließlich in Buchholz stattfinden konnten. Mehr als einmal mussten die Bopparder Fußballer zu Fuß nach Buchholz und zurück.
Der ehemalige Spieler des SSV Boppard,
Jochen Steiner, der auch zur SSV-Meistermannschaft 1957/58 gehörte, beschreibt in seinen Erinnerungen aus 2013 „Meine Zeit als Fußballspieler“ die damalige Situation mit vielen schönen persönlichen Eindrücken, Erlebnissen und kleinen Anekdoten:
„Auf der Buchholzer Heide“ Zwar gab es einen Sportplatz am Gymnasium, sogar mit Toren, aber der war für Fußballspiele viel zu klein, er entsprach nicht den vorgeschriebenen Maßen. Boppard wich auf den Hunsrück aus: nach Buchholz: Hier spielte man jetzt auf dem Sportplatz „Buchholzer Heide“, nachdem sich auch in Boppard wieder eine Mannschaft zusammengefunden hatte. Es waren – neben einigen älteren Spielern aus der Vorkriegszeit – meist junge Männer, die vor allem in englischer Gefangenschaft gewesen waren und dort die Möglichkeit zum Fußballspielen und zum Trainieren gehabt hatten.
Bald hatte Boppard wieder eine gute erste Mannschaft, die bei der Neuordnung durch den Fußball-Verband in die „1. Kreisklasse“ des Kreises St. Goar eingeteilt worden war, dort gleich auf Anhieb Meister wurde und im Entscheidungsspiel auf neutralem Platz in Oberwesel am 18. August 1946 den VfB Niedergondershausen mit 3:1 besiegen konnte. Aus dieser ersten Spielsaison existiert noch eine Zwischentabelle, in der Boppard nach 8 Spielen noch knapp hinter Gondershausen rangiert. Jochen Steiner schreibt in seinen Erinnerungen zu den in Buchholz ausgetragenen Heimspielen weiter: „Sonntags wanderten wir nun oft zusammen mit unserem Vater und vielen anderen Bopparder Fußballanhängern durch den „Hellerwald“ zum Sportplatz bei Buchholz. Wir hatten großen Spaß, wenn die Bopparder Fußball-Techniker die oft etwas ungelenk wirkenden Spieler aus den Hunsrückdörfern „schwindelig“ spielten. Vor allem den flinken Andy Decker, der noch mit meinem Vater zusammengespielt hatte, sahen wir gerne, wenn er als Rechtsaußen dicht vor uns die Linie entlang dribbelte. Oder auch den trickreichen „Schnackeler“, der mit seinen Gegnern „Katz und Maus“ spielte, so dass sie gar nicht mehr wussten, wo sie hinlaufen sollten, wenn er mal wieder ein paar Haken geschlagen hatte. Bei ihm störte mich allerdings, dass er nur spielen wollte, wenn sein Mitspieler Philipp Maser ihm aus dessen Metzgerei ein paar Würste oder Fleisch mitgebracht hatte. Aber das war, wie ich später erfuhr, in dieser Zeit bei vielen Spielern und Sportlern üblich. (Heute bekommen sie dafür Geld, oft viel zu viel Geld!) Damals hielt Sartoris „Bubi“ als Mittelläufer die Bopparder Abwehr zusammen, und vorne im Sturm sorgte vor allem Eulenborns „Buba“ als Mittelstürmer für die Tore. „ Leider stieg die Mannschaft damals nicht
in die höhere Klasse auf. Und auch im nächsten Jahr klappte es nicht, obwohl die Bopparder erneut Tabellen-Erster gewesen waren. Möglicherweise lag das (auch) daran, dass Boppard keinen eigenen Sportplatz und somit vor allem bei den Aufstiegsspielen keine Heimspiele hatte. Das sollte sich später ändern.“
Währungsreform und die besseren Lebensbedingungen stellten den Verein vor weitere Fragen: Die Spieler, die nicht mehr bereit waren, jeden Sonntag in Buchholz zu spielen, drängten darauf, einen eigenen Sportplatz herzurichten. Das Gelände des alten Sportplatzes, das die Franzosen nach der Besetzung wieder geräumt hatten, war nun durch einen Industriebetrieb blockiert. Nach einigem Hin und Her wurde von der Stadt die Erweiterung des Sportplatzes am Gymnasium in Aussicht gestellt.
Ein neuer Sportplatz Endlich bekam auch Boppard wieder seinen Sportplatz: Damals wurde der „Gymnasialplatz“, der bis dahin als Fußballplatz für Meisterschaftsspiele zu klein gewesen war, ausgebaut. Dazu mussten zunächst zwei Gartengrundstücke neben bzw. hinter dem Sportplatz erworben werden. Der Platz wurde also verlängert, nach der Rhein-Seite hin auch etwas verbreitert, wozu eine Bruchsteinmauer errichtet wurde. (Darin eingebaut wurde auch der Gedenkstein an „Turnvater Jahn“, der zuvor in den Rheinanlagen – an fast gleicher Stelle – als Denkmal gestanden hatte.) Nachdem Erde aufgefüllt worden war, wurde der Platz planiert, sodann mit Aschenschlacke bedeckt und gewalzt. Das alles geschah überwiegend in Eigenarbeit durch viele Vereinsmitglieder und Fußballfreunde. Auch unser Klassenlehrer Hermann Holz stand da manches Mal mit der Schaufel in der Hand, was uns beeindruckte. Zum Schluss wurden die Tore gebaut und dahinter zwei hohe Drahtzäune errichtet,um zu verhindern, dass die Bälle in die Gärten der Nachbarn oder in die Fenster der Häuser flogen. Jetzt entsprach der Platz hinsichtlich seiner Größe den Mindestanforderungen an einen Fußballplatz, er war aber trotzdem immer noch recht klein und vor allem eng: Die Seitenlinien waren nur knapp einen Meter von den Tribünenstufen entfernt, und zwischen der Torauslinie und dem Zaun war der Abstand noch geringer. Als Spieler hatte man deshalb oftmals „Tuchfühlung“ mit den Zuschauern, die daher meist auf den oberen Stufen standen. Unangenehm war zudem, dass der Schlackenbelag an manchen Stellen nicht fein genug gemahlen war: hier gab es, wenn man darauf fiel, manche Blessuren.
Insgesamt aber waren wir froh, jetzt in
Boppard einen Sportplatz zu haben, auf dem Fußball wie übrigens auch Handball gespielt werden konnte. Denn damals gab es noch Feldhandball, aber keinen Hallenhandball. Die Bopparder hatten eine sehr gute 1. Handball-Mannschaft, die in der Landesliga, also der zweithöchsten Klasse spielte. Die Spiele gegen Mühlheim-Kärlich, Pfalzel oder andere Mannschaften haben wir uns gerne angeschaut, vor allem wegen der tollen Torwartparaden: Weil nämlich die Bälle aus größerer Entfernung auf`s Tor geworfen wurden, blieb für den Torwart etwas mehr Zeit zum Reagieren. Und da das Tor so groß wie ein Fußballtor war und außerdem so gut wie jeder Angriff mit einem Wurf auf`s Tor abgeschlossen wurde, sah man oft spektakuläre Paraden. Auch die Fußballer spielten natürlich auf dem neuen Platz, und wir haben manches
schöne und spannende Spiel gesehen. Leider aber fiel die erste Mannschaft bald auseinander: Einige Spieler zogen fort oder wurden abgeworben wie vor allem der schon erwähnte, damals wohl beste Spieler Sartori, dem nach einem Freundschaftsspiel gegen Neuss-Weißenberg eine Stelle als Platzwart im Neusser Jahnstadion angeboten wurde. Andere beendeten das Fußballspeilen aus Altersgründen, und nachrückende junge Spieler fehlten, da es in Boppard bis dahin keine Jugendmannschaften gegeben hatte. Die wurden erst 1949 nach Fertigstellung des Sportplatzes vor allem aus dem Gros der „Angerter“ neu zusammengestellt, und da gehörten wir – mein Bruder Klaus und ich – natürlich dazu: Er in der C-Jugend (12-14 Jahre), ich in der B-Jugend (14-16 Jahre).“ Die Nutzung des Gymnasialsportplatzes
wurde erst durch einen Grundstückstausch möglich, den der damalige Bürgermeister Jakob Clotten mit dem Besitzer des an den Sportplatz grenzenden Garten aushandelte. Die Herrichtung des neuen Sportplatzes führte der Verein in Eigenregie durch. In einzelnen Arbeitsgruppen wurde in Tages- und Nachtschichten am Bau des Sportplatzes gearbeitet. Diese unbezahlten Arbeitsleistungen der vielen freiwilligen Helfer machten es möglich, dass in Boppard wieder Fußball, Handball und Leichtathletik betrieben werden konnte. Es stellten sich jedoch erneut Schwierigkeiten ein: Fußball- und Handballabteilung vermehrten ihre Mannschaften und die Leichtathleten benötigten häufig den Sportplatz für das Training.
Auch die Reserve-Mannschaft wurde ein unverzichtbarer Bestandteil des sportlichen Erfolges, da ihre Spieler immer wieder bei verletzungsbedingten Ausfällen in der 1. Mannschaft eingesetzt werden konnten. Am 11. Mai 1951 stellten sich folgende „Reservisten“ dem Fotografen: Erfolgreich startete auch die Jugendarbeit. Im Jahr 1949 nahm die unter Betreuer und Trainer Willi Held neu aufgestellte BJugend erstmals an einer Meisterschaftsrunde teil und wurde auf Anhieb Kreismeister des Kreises St. Goar. Bei den anschließenden Bezirksmeisterschaften belegte sie hinter Metternich und Bad Ems einen guten 3. Platz. In der Spielzeit 1950/51 rückte die Mannschaft geschlossen in die A-Jugend auf und belegte hinter Bad Salzig den 2. Tabellenplatz. Im Entscheidungsspiel nach Punktgleichheit gewann Bad Salzig mit 2 : 1 Toren. Es spielten für Boppard: Benner, Christ, Maring, Heidger, Schneider, Steiner, Kölges, Eulenborn, Rätz, Laich, Sturmes, Marx, Astor, Stapf und Hermannspahn. Die Erfolge im Jugendfußball setzten sich in der Folgezeit fort. Martin Staaden, Willi Held, Willi Altenhofen, Matthias Lindemann, Alfred „Stämmche“ Werner, Jupp Wiegel, Erwin Kress, Peter Link, H. Anhut, Willi Rätz, Georg und Günter Ottenbreit, Bubi Hermannspahn, Rolf Fieseler, Adolf Kollmar, Hartmut Wolf, Theo Jeuken, Karl-Heinz Becker und viele andere „Ehrenamtliche“ opferten von den 1950 bis in die 70er Jahre ihre freie Zeit und waren als Trainer, Betreuer und/oder Sponsor Garanten für eine erstklassige Jugendarbeit.